#WIRSINDSYSTEMRELEVANT - Ein Interview mit Joy

Durch die Corona-Pandemie wird vielen Menschen wieder bewusst, wie wichtig die Arbeit von bisher vernachlässigten Berufsgruppen eigentlich ist. Vor allem Berufe, die im Alltag oft als selbstverständlich hingenommen werden, sind systemrelevant. So wird unser Alltag von Alten- und Krankenpfleger*innen, Reinigungskräften, aber auch Verkäufer*innen, Regalauffüller*innen und vielen mehr aufrecht erhalten. Mit der Serie #WIRSINDSYSTEMRELEVANT wollen wir nicht nur ein Zeichen setzen, sondern uns vor allem bei ALLEN bedanken, die unseren Alltag aufrecht erhalten.

Joy, Auszubildende zur Altenpflegehelferin

Joy, Auszubildende zur Altenpflegehelferin

Joy macht eine einjährige Ausbildung zur Altenpflegehelferin in einem Caritas Altenheim in München. Ihr Beruf ist systemrelevant. Unsere Kollegin Margaux hat sie deshalb gefragt, wie es ihr gerade geht und worüber sie sich Gedanken macht.

Margaux: Wie sieht dein Arbeitsalltag in der aktuellen Situation aus? Was gibt es für Schwierigkeiten? 

Joy: Für die Bewohner*innen ist es nicht einfach zu verstehen, dass jetzt kein Besuch mehr kommen darf. Normalerweise bekommen einige der Leute jeden Tag Besuch von Angehörigen. Dass sie jetzt keinen Besuch mehr bekommen ist für sie schwer zu akzeptieren. Manche der Leute haben Demenz. Es ist besonders schwierig, ihnen die Situation zu erklären. 

Wir müssen alle unser Verhalten ändern, auch die Bewohner*innen des Altenheims. Die Bewohner*innen dürfen keinen Besuch bekommen. Und sie dürfen sich auch nicht gegenseitig in ihren Zimmern besuchen. Sie sehen sich nur im Speiseraum. Im Speiseraum haben wir sonst immer auf jedem Tisch eine Kanne Kaffee stehen. Die Leute können sich dann selbst immer wieder Kaffee eingießen. Das geht jetzt aber nicht mehr, weil nicht alle die gleiche Kanne anfassen sollen. Deshalb schenken wir ihnen den Kaffee nach. Die Bewohner*innen verstehen das nicht und beschweren sich bei uns. Sie denken, wir machen das, um sie zu ärgern. Wir müssen die Vorsichtsmaßnahmen immer wieder erklären. Dann sage ich: „Ich mache das nicht für mich. Ich mache das, um Sie zu schützen.“ Ich komme von draußen und möchte die Krankheit nicht an die alten Menschen übertragen. 

Margaux: Hat sich dein Verhalten in der Arbeit auch verändert? 

Joy: Auch die Angestellten im Altenheim mussten ihr Verhalten ändern. In der Pause sitzen wir zusammen, aber wir halten so gut es geht Abstand. Natürlich ist der Abstand in einem Raum nicht so groß wie draußen. Ich kann in meiner Arbeit keinen Abstand zu den Bewohner*innen halten. Normalerweise rede ich immer sehr viel mit ihnen. Jetzt mache ich das nicht mehr. Ich entschuldige mich bei ihnen, dass ich nicht mehr so viel spreche, wenn ich bei ihnen bin. Aber ich versuche mich auf meine Arbeit zu konzentrieren und schnell wieder Abstand zu nehmen, wenn ich fertig bin. Wir sollen Mundschutz tragen, aber schon nach drei Tage gab es keine mehr. Wir haben neue bestellt, aber sie sind noch nicht angekommen. 

Margaux: Wie ist die Situation für dich? Hast du Angst vor Corona? 

Joy: Für mich ist das eine komische Situation. Auf der Arbeit sind alle vorsichtig, aber sie machen keine Panik. In der Berufsschule haben viele Angst. Meine Lehrerin hat gesagt, dass wir in unserem Beruf jeden Tag mit Krankheiten zu tun haben. Wir sollten deshalb keine Angst vor Corona haben, sondern einfach vorsichtig sein. Abstand halten und Hände waschen, keine Hände schütteln. Ich denke, wenn man Angst vor Krankheiten hat, ist Altenpflege der falsche Beruf. Ich finde, die Angst vor Corona ist schlimmer als die Krankheit selbst. 

Ich habe keine Angst. Alte Leute husten sowieso viel. Ich kann nicht unterscheiden, ob sie Corona haben, oder aus einem anderen Grund husten. 

Die Berufsschule findet im Moment digital statt. Wir bekommen Aufgaben zugeschickt. Ich habe keinen Laptop, sondern nur ein Handy. Ich mache die Aufgaben handschriftlich auf einem Papier, fotografiere meine Lösung ab und schicke sie der Lehrerin zurück. Ich hoffe, dass ich nach Ostern wieder in die Berufsschule gehen kann.