Viele Menschen sind durch die Corona-Krise in Kurzarbeit. Doch was ist das eigentlich genau, Kurzarbeit? Was sind meine Rechte als Arbeitnehmer? Die ArrivalNews-Redaktion hat Anfang April Rechtsanwältin Anna Frölich zu diesem Thema interviewt. Und die Ehrenamtlichen von TranslAid haben das Interview in Arabisch, Dari, Farsi, Englisch, Französisch und Urdu übersetzt!
Hier ist eine Zusammenfassung des Interviews mit Rechtsanwältin Anna Frölich in einfacher Sprache. Und unten kann die Zusammenfassung des Interviews auf Arabisch, Dari/Farsi, Englisch, Französisch und Urdu heruntergeladen werden, übersetzt von den Ehrenamtlichen von TranslAid.
ARRIVALNEWS: WAS IST KURZARBEIT?
ANNA FRÖLICH: Kurzarbeit ist ein kompliziertes Thema. Einfach gesagt bedeutet Kurzarbeit: Ein Unternehmen bekommt Schwierigkeiten – es macht zum Beispiel nicht mehr genug Umsatz oder es gibt nicht mehr genug Arbeit für alle. Dann kann das Unternehmen Kurzarbeit anmelden. Dafür müssen aber 2 Voraussetzungen erfüllt sein:
Der/die Arbeitnehmer*in muss der Kurzarbeit zustimmen. Er*sie muss ein Dokument unterschreiben, auf dem steht:
Wie viele Stunden pro Woche wird die Kurzarbeit haben?
Wie hoch wird der Lohn sein?
Wie lange wird die Kurzarbeit dauern?
Diese Vereinbarung kann zwischen dem*der Arbeitnehmer*in und dem Arbeitgeber oder zwischen dem*der Arbeitnehmer*in und dem Betriebsrat sein.
Es darf keine andere Möglichkeit als die Kurzarbeit geben. Das heißt, es gibt keine andere Arbeitsmöglichkeit mehr für den*die Arbeitnehmer*in. Zum Beispiel mit einer anderen Aufgabe oder in einer anderen Position.
In einem Beispiel sieht Kurzarbeit so aus:
Ich arbeite normalerweise 40 Stunden pro Woche und bekomme dafür 2000 € Bruttogehalt. Mein Arbeitgeber hat jetzt aber nur noch 20 Stunden pro Woche Arbeit für mich. Das sind 50 % meiner normalen Arbeitszeit. Also bekomme ich 50 % von meinem Bruttogehalt. Das sind 1000 €.
Von meinem Nettogehalt (also meinem Gehalt ohne Abgaben) zahlt mein Arbeitgeber mir 60 % Kurzarbeitergeld. Dieses Geld bekommt mein Arbeitgeber von der Bundesagentur für Arbeit zurück. Dafür muss er einen Antrag stellen. Das Geld bekommt der Arbeitgeber aber nur von der Bundesagentur zurück, wenn die 2 Voraussetzungen für Kurzarbeit erfüllt sind.
ARRIVALNEWS: KANN ICH IN DER AUSBILDUNG IN KURZARBEIT KOMMEN?
ANNA FRÖLICH: In der Regel nicht.
Eine Ausnahme ist: Wenn das Unternehmen gar keine Umsätze mehr macht. Dann kann nach 6 Wochen Kurzarbeit auch für Azubis kommen.
Zum Beispiel beim Friseur: Ein Friseursalon kann wegen Corona nicht weiterarbeiten, weil dort kein Abstand zu den Kund*innen gehalten werden kann. Dann gibt es keine Arbeit mehr. Deshalb müssen auch die Azubis nach 6 Wochen Kurzarbeit machen.
ARRIVALNEWS: MUSS ICH AUFGRUND DER AKTUELLEN SITUATION IN DIE ARBEIT GEHEN? ODER DARF ICH ZUHAUSE BLEIBEN, WENN IN MEINEM JOB KEIN HOMEOFFICE MÖGLICH IST?
ANNA FRÖLICH: Dein Arbeitsvertrag verpflichtet dich dazu, weiter zur Arbeit zu gehen. Du darfst nicht einfach zuhause bleiben.
Aber dein Arbeitgeber hat auch eine Pflicht: Er muss dafür sorgen, dass du in der Arbeit geschützt wirst. Zum Beispiel, dass du 1,5 m Abstand zu deinen Kolleg*innen oder zu Kund*innen halten kannst.
Wenn du Symptome einer Krankheit hast, kannst du dich krankschreiben lassen. Das geht ganz einfach: Du musst nicht zum Arzt gehen. Du kannst auch anrufen und bekommst eine Krankschreibung.
ARRIVALNEWS: KANN ICH WÄHREND DER KURZARBEIT GEKÜNDIGT WERDEN?
ANNA FRÖLICH: Wenn du während der Kurzarbeit gekündigt wirst, ist das eine betriebsbedingte Kündigung. Betriebsbedingt heißt, dein Arbeitgeber muss dir kündigen, weil er dich nicht mehr bezahlen kann. Wenn du dagegen vor Gericht gehst, ist die Chance groß, dass du gewinnst. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass du während der Kurzarbeit gekündigt wirst.
ARRIVALNEWS: KITAS UND SCHULEN SIND ZURZEIT GESCHLOSSEN - KANN ICH MEIN KIND MIT IN DIE ARBEIT NEHMEN? ODER DARF ICH ZUHAUSE BLEIBEN, UM MEINE KINDER ZU BETREUEN?
ANNA FRÖLICH: Es ist nicht verboten, deine Kinder mit in die Arbeit zu nehmen. Aber du musst es mit deinem Arbeitgeber absprechen. Manche Arbeitgeber erlauben es. Manche Arbeitgeber haben sogar Angebote zur Betreuung von Kindern. Aber manche Arbeitgeber erlauben es nicht, weil die Kinder während der Arbeit stören würden. Es ist zurzeit auch ein Gesundheitsrisiko, Kinder mit in die Arbeit zu bringen: Wir alle sollen möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen haben. Kinder bleiben deshalb am besten zuhause.
Du darfst 10 Tage im Jahr zuhause bleiben, um deine Kinder zu betreuen. Manche Betriebe erlauben auch mehr als 10 Tage. Besonders jetzt während Corona musst du mit deinem Arbeitgeber darüber sprechen, wenn deine Kinder nicht betreut werden können. Zusammen müsst ihr eine Lösung finden.
Wenn du eine*n Partner*in hast, könnt ihr euch abwechseln: Eine*r geht in die Arbeit und der*die andere bleibt bei den Kindern. Zum Beispiel vormittags und nachmittags oder an verschiedenen Wochentagen. Nur im Notfall, wenn du gar keine Betreuung findest, kannst du zuhause bleiben.
ARRIVALNEWS: WENN ICH AN CORONA ERKRANKT BIN, BEKOMME ICH DANN WEITER GELD?
ANNA FRÖLICH: Corona ist wie jede andere Krankheit: Du brauchst eine Krankschreibung und musst dann zuhause bleiben. Du bekommst weiter dein Gehalt. Wenn du mehr als 6 Wochen krank bist, zahlt deine Krankenversicherung für dich weiter.
ARRIVALNEWS: WENN ICH IN QUARANTÄNE BIN, WEIL NICHT SICHER IST, OB ICH CORONA HABE: ZÄHLEN MEINE FEHLTAGE IN DER ARBEIT ALS URLAUBSTAGE? ODER BIN ICH KRANKGESCHRIEBEN?
ANNA FRÖLICH: du in Quarantäne musst, ist das wie ganz normale Krankheitstage. Du bist krankgeschrieben, weil das Gesundheitsamt das angeordnet hat. Deine Fehltage dürfen nicht als Urlaubstage berechnet werden. Dein Betrieb darf diese Tage also nicht von deinem Urlaub abziehen. Er muss weiterhin dein Gehalt bezahlen. Das Geld kann der Betrieb vom Staat zurückbekommen, weil der Staat die Quarantäne angeordnet hat.
ARRIVALNEWS: MUSS ICH MEINE*R ARBEITGEBER*IN SAGEN, WENN ICH AN CORONA ERKRANKT BIN? ODER REICHT ES AUS, WENN ICH NUR SAGE, DASS ICH KRANK BIN?
ANNA FRÖLICH: Wenn du an Corona erkrankst, informiert das Gesundheitsamt deinen Arbeitgeber. Denn dein Arbeitgeber muss deine Kollg*innen schützen. Vielleicht muss er dazu den Betrieb schließen. Dein Arbeitgeber erfährt also auf jeden Fall, dass du Corona hast.
Am besten sagst du es deinem Arbeitgeber selbst, wenn du an Corona erkrankt bist. Wenn du es nicht sagst, ist das für deine Kolleg*innen oder die Kund*innen gefährlich: Du steckst sie vielleicht mit der Krankheit an. Wenn du einer anderen Person Schaden zufügst, obwohl du weißt, dass es gefährlich für sie ist, ist das Körperverletzung. Wenn du nicht sagst, dass du krank bist, ist das also auch Körperverletzung. Das ist in Deutschland strafbar.
ARRIVALNEWS: SEIT 1. APRIL FAHREN S-BAHNEN UND ZÜGE IN DEUTSCHLAND SELTENER. WENN ICH DESHALB NICHT ZUR ARBEIT KOMMEN KANN, WAS PASSIERT DANN? BEKOMME ICH WENIGER GEHALT ODER EINE KÜNDIGUNG?
ANNA FRÖLICH: In Deutschland haben Arbeitnehmer*innen das Wegerisiko. Wegerisiko bedeutet, dass der*die Arbeitnehmer*in dafür sorgen muss, immer rechtzeitig und pünktlich zur Arbeit zu kommen. Wenn du also weißt, dass die S-Bahn nicht so oft fährt, musst du rechtzeitig eine frühe S-Bahn nehmen, damit du pünktlich ankommst. Das ändert sich auch wegen Corona nicht. Wenn du immer wieder zu spät kommst und sagst, es ist wegen Corona, darf dein Arbeitgeber dich deswegen kündigen.
ARRIVALNEWS: UND WENN GAR KEINE ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTEL FAHREN?
ANNA FRÖLICH: Dann gilt trotzdem das Wegerisiko. Das heißt, du bist dafür verantwortlich, dass du eine andere Möglichkeit findest. Zum Beispiel mit dem Fahrrad oder mit dem Auto in die Arbeit fahren. Du musst also trotzdem in die Arbeit gehen. Wenn du nicht in die Arbeit kommst, darf dein Arbeitgeber dich kündigen.
ARRIVALNEWS: VIELEN DANK FÜR DAS INTERVIEW!
Ihr braucht rechtlichen Rat zum Thema Arbeit und Corona? Eure Fragen wurden in diesem Interview nicht beantwortet: Dann meldet euch gerne schriftlich oder telefonisch bei Rechtsanwältin Anna Frölich bzw. in der Kanzlei Wächtler und Kollegen:
EMail: froelich@waechtler-kollegen.de
Tel: 089/542 75 00 (Das Sekretariat ist täglich von 9-18 Uhr besetzt)